anstoss

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Dieser Tage kann man sich im Budapester Westend Einkaufszentrum die Karten legen lassen: Zwei Damen mittleren Alters warten auf eine gutgläubige Kundinnen. Da es noch früh am Tage ist, studiert eine der Damen noch fiktive Dialoge, die sie mit den Kundinnen halten könnte, während die andere bereits einer Kundin das Schicksal voraussagt.

Was ist das eigentlich, Zukunft? Lassen wir einmal die Möglichkeit weg, dass Ihnen morgen der berühmte Stein auf den Kopf fällt, der Ihr Schicksale in völlig unplanbare Bahnen lenkt, dann ist die Zukunft nichts mehr als die Ernte dessen, was sie gestern gesät hatten. Die meisten Menschen glauben, große Veränderungen in der Zukunft würden sich mit Donner und Blitz oder Schalmaienklang
und Glockengeläut ankündigen – sehen Sie, und falls sie das auch glauben, haben sie vermutlich schon verspielt: Enemenemuh, und aus bist du.

Denn falls sich ihr Leben ändern sollte, ist dafür jenes kurze, aber inhaltsreiche Gespräch wichtig, dass sie am Telefon mit einem bislang fremden Menschen geführt haben, oder ihre Freundlichkeit und ihr Langmut, den sie in einer scheinbar aussichtlosen Situation gezeigt haben, oder die beiden sinnreichen Einwürfe, die sie bei einem völlig belanglosen Meeting von sich gaben. All dies passierte in Situationen, die Sie überhaupt nicht planen konnten.

Die Weichen in die Zukunft werden eben oft in scheinbar belanglosen Situationen gestellt – im Beruf wir auch in privaten Leben – und eben diese Samenkörner sind längst eingesät. Sie haben es vor drei Monaten getan, letzte Woche, vielleicht gestern oder in der vergangenen Stunde. Sie wollen eine bessere Zukunft? Dann müssen sie vor allem ihre Gegenwart verändern - Zukunft findet jetzt statt.

Ich habe mich daran gewöhnt, dass kaum einer der Stammtischnörgler und Kaffeekränzchenschwätzer begreift, wie unsere Sozialsysteme funktionieren – doch von Journalistinnen und Journalisten darf man mehr erwarten. In der Anmoderation eines Beitrags zum Thema Familienpolitik im ZDF-Morgenmagazin jedenfalls wurde heute behauptet, unser soziales Sicherungssystem beruhe auf Kindern. In Wahrheit beruht es zum größten Teil auf unselbstständiger Erwerbsarbeit. Möglich, dass sich diese ohne Nachschub an deutschen Arbeitern und Angestellten nicht bewältigen lässt, wenn wir mindestens die Qualität unserer Geistesarbeit und deren Umsetzung sichern wollen.

Aber Kinder? Ein Teil wird arbeitslos sein, ein anderer Teil wird das Heer der deutschen Beamten verstärken: Beide Gruppen tragen keinen Pfifferling zur Sozialversicherung bei, sondern entnehmen ihre sozialen Leistungen aus dem Topf der übrigen Bevölkerung.

Mehr Kinder? Was ist an der Forderung Fantasie, was Wunsch, was Notwendigkeit? Wie stellt sich ein Staat, der ja offenbar Kinder will, deren Ausbildung vor? Wie werden die Arbeitsplätze aussehen, und vor allem, wo werden die Kinder sie finden? Bilden wir für den Bedarf Deutschland, oder Europas oder der Welt aus? Und wer wird, vor allem in Süddeutschland, die einfachen Arbeiten tun? Wer wird uns als Kellnerin oder Kellner bedienen? Von Spülern und Zimmermädchen wage ich gar nicht zu reden – und unseren Spargel stechen deutsche „Kinder“ bestimmt nicht.

Wie war das mit „mehr Kinder“?

 

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