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Das wöchentliche Geblubber aus den Algen – fast immer sonntags

Es scheint, als ob Nachdenken doch noch eine Tugend wäre. Wie sonst könnte es sein, dass so genannte „namhafte“ Blogger nicht mehr öffentlich wiederholen, was sie einst vollmundig verkündet haben: Sie wollten, so hieß es einst, Journalismus „von unten“ machen und sagten den etablierten Journalisten gleich mal den Kampf an, so, als ob das letzte Gefecht um die Wahrheit anstehen würde. Inzwischen aber dürfte klar sein, dass die besseren Journalisten eben Journalisten sind – Blogger spielen, wenn überhaupt, im deutschen Journalismus eine klägliche Nebenrolle.

Nach reiflicher Überlegung muss ich sagen, dass es auch so sein muss. Journalisten verdienen ihr Geld damit, dass sie recherchieren, analysieren und schreiben. Sie tun dies zu unserer aller Gunsten, weitgehend unbeeinflusst und mit aller gebotenen Objektivität. In Deutschland trifft diese Aussage auf eine Fülle von Zeitungen, eine ganze Anzahl von Zeitschriften und mindestens die meisten Sendeanstalten der ARD zu.

Für die meisten Blogger – ich beklage es oft - sind wirtschaftliche Belange uninteressant. Wie es scheint, lebt keiner von ihnen direkt oder indirekt von der Nachricht, der Analyse oder dem Kommentar. Von ihrer Schreibe ernährend sie niemanden. Sie müssen es offenbar nicht, und das ist auch richtig so, denn, mit Verlaub: Die meisten könnten es auch gar nicht.

Die große schillernde Seifenblase ist geplatzt. So wie viele so genannte „Dotcoms“ nichts als mit Goldbronze mühsam übertünchtes Blech waren, so sind die meisten Blogs mit einer Schicht Aktualität überdeckte Papiermüllhalden. Das ist die eine Seite. Die andere: So, wie es eben „Dotcoms“ gab, die auf gesunden Beinen standen, so könnte es auch Blogs geben, die mehr sind als nur der berühmte Haufen Altpapier.

Was sich ändern muss, ist nicht die etablierte Presse, es sind die Blogs. Selbstsucht ist auf Dauer keine brauchbare Motivation für gute Leistungen. Wer längerfristig qualitativ hochstehende Artikel schreiben will, muss dafür entweder an gesellschaftlichem Ansehen oder aber an Geld gewinnen – am besten freilich an beidem. Das ist die Wahrheit, aber leider eine, die nicht gehört wird.

Ich muss mich einmal selbst zitieren, da ich zitiert wurde:

»Wir brauchen in Deutschland Blogger, die tatkräftig an der Zukunft arbeiten. Sie müssen innovativ sein, und aus dem, was sie tun, müssen synergetische Effekte entstehen. Wenn sich mit Blogs selbst kein Geld machen lässt, so muss sich mit den Potenzialen, die hinter den Blogs stehen, eine Wertschöpfung erzielen lassen, ansonsten ist das Ganze ein Tanz ums goldene Kalb – und keine ernst zu nehmende Beschäftigung.«.

Der Kommentator fragte ernsthaft, ob ich dies als Satire gemeint hätte. Nun, wer bislang noch nicht wusste, was ich damit gemeint habe, dass sich die Blogs ändern müssen, nicht die Presse, der weiß es jetzt.
schmidt meinte am 31. Okt, 15:57:
Wahre Worte...
So nun ist es ausgesprochen. Keine Kommentare wird es dazu geben und wenn dann wahrscheinlich nur welche mit verachtendem Unterton, weil man sich ans Bein gepinkelt fühlt, gestört beim "Tanz ums goldene Kalb". Ich pflichte Dir bei. Die Kürze der Zustimmung liegt allein in meiner Abneigung der Lobhudelei, zu der ich mich eigtl. hingerissen fühle.
Mal sehen wie es hier weitergehen wird. 
Bandini meinte am 31. Okt, 17:04:
Stimme zu
Ich stimme zu, auch wenn ich selbst er zu den Tagebuchschreibern und literarischen Schreibübern gehöre. Aber ich glaube, dass es bei journalistischen Blogs konzeptionell schnell schwierig wird. Ich kann es mir für sehr enge Themenbereiche vorstellen, da allein die Spezialisierung die Begründung liefern dafür kann, dass ein Blog Beachtung findet. Ich selbst habe solche Spezialisierungen, aber ich kann mir trotzdem keinen interessanten Blog vorstellen, der regelmäßig läuft. Zudem braucht es eine Gegnerschaft, um wahrgenommen zu werden. Am besten eine möglichst unerfreuliche, weshalb ja auch Blogging rund um den US-Wahlkampf erfolgreich werden konnte. Aber langfristig bleibt es schwierig.

Grundsätzlich könnte die Finanzierung über eine Beratung erfolgen, in der die Spezialkenntnisse zum Tragen kommen. Das ist vorstellbar. Aber wenn ich z. B. an einen Bekannten denke, der eine sehr spezialisierte, in seiner Branche stark beachtete Website betreibt: Geld verdient auch der kaum. 
Lyssa meinte am 31. Okt, 18:08:
Es wird in Zukunft Blogger geben,
die mit dem Bloggen Geld verdienen. Wahrscheinlich werden sie nicht direkt fürs Bloggen bezahlt werden, und es dürften auch nicht sonderlich viele werden. Aber ganz sicher werden einige "die Seiten wechseln" und als Journalisten arbeiten oder als Experten in ihrem Themengebiet angeheuert werden.

Ich kann nur nicht verstehen, warum das so unglaublich wichtig sein soll. Was ist so schlimm daran, wenn man mit Bloggen kein Geld verdient oder vielleicht nicht mal verdienen will? Warum sollten Blogs sich ändern müssen? Warum bist Du so verärgert? 
sehpferd antwortete am 31. Okt, 18:20:
Ich bin nicht im Prinzip verärgert ...
sondern nur über die vollmundigen Sprüche, die noch bis vor einigen Tagen in Weblogs verbreitet wurden (und weiterhin verbreitet werden), so nach der Art: "Offizielle" Presse, wir Blogger, wir werden es euch schon zeigen. Das ist spätpubertäre Wichtigtuerei.

Es ist NICHT schlimm, wenn man beim Bloggen kein Geld verdient, wenn es ausschließlich Hobby ist. Aber auf Dauer kann man Journalismus nicht als Hobby betreiben.

Einverstanden? 
Lyssa antwortete am 31. Okt, 18:25:
Völlig einverstanden. 
teacher antwortete am 31. Okt, 18:32:
Fragen:
Werden aus Bloggern nicht Journalisten, sobald sie für ihre Tätigkeit bezahlt werden?

Und sind nicht die Amateure die besten Liebhaber (amore als Trieb)?

Ich sehe als Problemlösung eigentlich nur einen Trend zum spezialisierten Blog. Bei twoday schreiben Sexprofis neben Schuljungen, zum Lesen kommt sowieso nur eine unerhebliche Minderheit. 
sehpferd antwortete am 31. Okt, 18:48:
Komplizierte Frage
Schon deshalb, weil es ja bloggende Journalisten gibt. Die allerdings haben ein eindeutiges Motiv, nämlich unerwünschte Nachrichten dennoch in die Welt zu bringen. Das, denke ich, hat Sinn - ich denke da ganz bewusst an den Irak-Krieg.

Eine Lösung bei Blogs sehe ich nur dann, wenn sich mehrere Blogger zusammentun, um ein interessantes Online-Magazin herauszubringen. Das öde Gehoppel von einem Blog zum anderen macht auf Dauer niemand mit - und es ist auch nicht wirklich interessant genug. 
 

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