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Gestern war es wieder da, dieses Wort: E-Musik – im Zusammenhang mit Mozart, natürlich? In welchem Zusammenhang sonst würde man das Wort denn überhaupt benutzen? Ein Herr sagte es, Mozart-Kenner wohl. Derselbe Herr beklagte das seiner Ansicht nach mangelnde oder gar fehlende Interesse der jungen Generation an dem, was er als E-Musik etikettierte. „Wird der Vorhang hinter Mozart fallen?“ hörte man ihn, eine große amerikanische Tageszeitung zitieren, werden wir eine Welt (nun wechselte die Bezeichnung) ohne klassische Musik haben?

Eine Welt ohne klassische Musik? Die Kulturpäpste erzittern. Die Zentralverwaltung ewiger Werte erhebt sonor ihre Stimme. Die Kenner lächeln: Volle Konzertsäle, allenthalben, jedenfalls dort, wo ich hinblicke. Sehen sie hin und hören sie hin, falls Sie eine Karte bekommen – es ist gar nicht so einfach – und manchmal ist es auch sehr, sehr teuer.

Ach ja, dieser Mozart, richtig. Der schrieb ja „klassische“ Musik – nur wusste er noch nichts davon – und vielleicht, weil er es nicht wusste, schrieb er keine E-Musik, sondern einfach Musik: Für das gewöhnliche Volk, für die Gebildeten, für den Hof, zum Amüsieren, zum Tanzen, zum Zuhören.

Hören – einfach hören. Genießen, Empfinden, bewegen lassen und für sich entscheiden, was es bedeutet. Das heißt: Musik hören. Haben wir eine Chance? Ja, wenn wir nicht auf die Musiklehrer, Kritiker und den Zeigefinger hebenden Kulturpäpste hören. Ich will, mit Verlaub, nicht wissen, welches Genie in dieser oder jenen Sonate liegt, nicht die vermeintliche Größe und Bedeutung des Violin- oder Klavierkonzert erklärt bekommen. Ich will ins Konzert gehen und es hören – und vielleicht noch sehen, wie die Musikerinnen und Musiker ihr Herzblut geben, wenn sie mit sinnlichem Gesicht die Saiten streichen, ja, sogar wenn sie dumm in der Gegend herumstehen bevor sie einmal „ping“ auf ihrem Triangel machen dürfen.

Musik hat etwas mit der Lust am Hören und auch ein bisschen mit der Lust am Sehen zu tun. Das müssen jene begreifen, die Musik fördern wollen. Alles andere können wir den Leuten überlassen, die CD-Sammlungen anhäufen und ein bisschen Smalltalk über Mozart auf Partys reden können – oder auf Veranstaltungen von E-Musik sprechen.
david ramirer meinte am 31. Jan, 09:46:
manche saitenstreicherinnen
machen vielleicht ein sinnliches gesicht bei der musikerzeugung, aber es ist für mich schon spannender, die inneren bilder bei musik zu betrachten als z.b. einen mann in schwarzem frack, der 35 minuten an einem klavier sitzt und kaum eine mine verzieht (z.b. horowitz).

im übrigen haben sie absolut recht. :-) 
sehpferd antwortete am 31. Jan, 22:50:
Aber Herr Ramirer
erstmal vielen Dank ... aber warum Konterkarrieren sie es denn?

Sehen Sie mal: Morgen sitzt vielleicht gar nicht mehr Herr Horrowitz an diesem Klavier, sondern ein Computer, der jeden Anschlag von Herrn Horrwitz gespeichert hat, und vielleicht den jedes anderen Interpreten - und der nun durch ein Optimierungsprogramm, sogar noch den optimalen Anschlag findet. Dann spielt Charly Computerblitz, und das CD-gläubige Publikum erstrahlt vor Glück, weil endlich der ultimative Klang des Konzertflügels entdeckt wurde.

Ist das ihr Wunsch? Schon jetzt entscheidet doch bei der CD-Massenproduktion nicht der Pianist, sondern der Tonmeister, wie ein Konzertflügel zu klingen hat. Sagen Sie nicht, sie wüssten nichts von solchen Dingen ... 
david ramirer antwortete am 3. Feb, 18:54:
ich konterkariere nur partiell,
weil ich abstreite, dass musik immer auch ein visueller genuss ist. in vielen fällen ist das optische bei weitem weniger opulent als die enormen inneren bilder, die musik zu erzeugen imstande ist.

ich weiß von solchen dingen, bin aber ein erklärter gegner des interpretenwahnsinns und ein fürsprecher für größere und bessere auswahl. es kann nicht sein, dass nur ein kleiner bruchteil aller komponierten musik ständig von neuen interpreten "neu" interpretiert wird. ich kann schon das schlagwort "beethovens 9." oder "kleine nachtmusik" nicht mehr hören (obwohl ich die 9. vom alten ludwig van sehr liebe). die interpreten haben uns große momente im konzertsaal und auf CD geschenkt, aber "der interpret" wird zu wichtig genommen. es sind die komponisten, die zählen, und viel zu viele komponisten kennt niemand, und von viel zu vielen komponisten kennt man viel zu wenig - weil es nie "interpretiert" wird.

an einem solchen "computer-optimierungs"-programm wird sogar schon gearbeitet, habe ich vor ein paar monaten gelesen. ich beschäftige mich - das nur nebenbei - selbst seit gut 14 jahren mit musik aus computern und mir ist bewußt, dass diese dinge nur parallel zu MUSIK laufen können.

MUSIK ist, da bin ich ganz bei ihnen, mehr als nur Ohr; MUSIK ist alles und beansprucht den ganzen menschen. Und viele Interpreten bleiben mir MUSIK schuldig, indem sie lediglich demonstrieren, wie perfekt sie ihr Instrument beherrschen. Das aber können Computer auch. Was Computer nicht können: Geist hörbar machen.
Manchen Interpreten gelingt das aber auch nicht, weil sie zu sehr an den Noten kleben, nichts eigenes einbringen und Sklaven des Klassikmarktes sind. das findet in den konzertsälen statt, und es langweilt mich. ich finde mehr MUSIK in der natur, auf CDs und wenn ich selbst improvisiere; obwohl ich amateur bin... aber m.e. ist MUSIK eine lebenseinstellung, und sollte nicht von ein paar "akademischen" interpreten alleine beansprucht werden.

im großen und ganzen gebe ich ihnen also recht, habe aber ein paar eigene gedanken nebenbei dazu :-)

P.S.: ich höre eben von Mozart die Credo-Messe in C, K257 in einer sehr guten Aufnahme. Empfehlenswert: Die inneren Bilder sind epochal (Double Decca, Musica Sacra, Mozart Masses/Kings College Choir) 
 

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