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Ich wusste nicht, dass Pete Townshend bloggt. Nun weiß ich es. Und ich weiß auch, wer Ikapikapoo ist.

Via Jim.

Ich kann Ihnen eine interessante Neuigkeiten von Gramse berichten: ja, jenem Johann Fürchtegott Gramse, den man JoJo nennt. Sie wissen vielleicht, dass er Schriftsteller ist – sehen Sie und nun hat er eine Idee: Sein neues Buch ist nämlich das Buch über ein Blog, das ein Blog über ein Buch ist.

Das Buch, das Gramse schreibt, handelt von einem jungen Mann, der sein Erstlingswerk mithilfe eines Blogs schreibt und dabei vorgibt, eine Frau zu sein, die dieses Blog führt. Ihr erster Eintrag besagt, dass sie, nach dem sie arbeitslos geworden ist, den Beruf einer Domina anstrebt. Diese Dame nun wird nach und nach, wie es in Blogs üblich ist, beinahe täglich einen Eintrag schreiben, um dem Leser ihren Weg in die Welt der Dominanz zu beschreiben. Wir nennen die Dame mal Gisa, damit es einfacher wird für Sie, und den Autor nennen wir Günther.

Gramse erfindet nun also Günther, der täglich Gisa erfindet, wodurch die Handlung im Groben festgelegt ist. Allerdings haben beide, Gramse und Günther, mit Gisa sehr schnell ein Problem: Sie wird nämlich durch ihr Blog plötzlich Gegenstand eines gewissen öffentlichen Interesses. Sie kommt nämlich mit den Webexistenzen in Kontakt, die selbstverständlich glauben, dass Gisa eine Frau ist, die beabsichtigt, den Beruf einer Domina zu ergreifen.

Günther muss sich also nun in einen Dialog verwickeln lassen, aber nicht als Schriftsteller, sondern als die Dame, von der er vorgibt, dass sie eine Domina werden möchte und Gramse muss ihm die Worte dafür zurechtlegen.

Durch diese Dialoge der Dame Gisa mit den Webexistenzen kommt nun eine Handlung zustande, die der Mann, der das Buch schreibt, über das Gramse gerade ein Buch schreibt, so nicht geplant hatte. Zwar ist die Dame Gisa nicht existent, aber ein großer Teil der Webexistenzen sind mit ihr vernetzt und fühlen und denken mit ihr.

Dadurch ist nun eine neue Realität entstanden, dann obzwar es keine Gisa gibt, existiert sie doch als soziale Realität innerhalb eines kybernetischen Modells, das hinfort ein Eigenleben führen wird. Schon melden sich einerseits feministische Bloggerinnen, die dringend davon abraten, sich in die zwielichtige Halbwelt sexueller Ausbeutung zu begeben, während andererseits bereits die ersten Anfragen nach den Dienstleistungen kommen.

Wie soll sich Gisa nun verhalten? Wie Günther? Wie Gramse?

Dies alles, liebe Leserinnen und Leser, passierte vor einer Woche.

Vorgestern nun bekam ich einen Telefonanruf: Gramse war dran, und er befand sich in äußert schlechter Verfassung. Soeben habe Renate R., die Kulturredakteurin der örtlichen Zeitung angerufen, um anzufragen, ob Frau Gisa Gramse ihr wohl für ein Gespräch zur Verfügung stehe. Gramse sagte, ihm sei nichts anderes eingefallen als zu sagen, seine Tochter sei verreist, aber das könne er doch nächste Woche nicht auch noch behaupten.

Heute kam ein großer Briefumschlag bei mir an: Er enthielt einen Rohentwurf für ein Buch, ein paar handgeschriebene Seiten, und etliche Computerausdrucke – von Screenshots bis zu Emails, sowie handschriftlich das Passwort zu seinem Blog und den Satz: "Nimm, alter Freund, ich erhole mich in einer Klinik im Schwarzwald".

Ich habe die Unterlagen erst einmal in den Schuhkarton unter mein Bett gestellt, und Ihnen sage ich dies: Wenn sie in den nächsten Tagen ein verlassenes Erotikblog finden, dann bezichtigen Sie nicht mich, denn diese Geschichte ist erstunken und erlogen

Man mag über den etwas lächerlich klingenden Begriff der Leitkultur denken, wie man will – eines allerdings ist sicher: Die Jugend sucht wieder nach Leitbildern. Wenn es eines Beweises dafür bedurfte, so mag die Diskussion, die gerade in der Jungen Union geführt wird, als Beweis dafür dienen: Vor allem hier wird der Gedanke, über die Leitkultur neu nachzudenken, begeistert aufgenommen.

In der CDU und geht es vor allem um die christlichen und konservativen Gedanken. Jeder Bürger, der in der Stadt lebt, verspürt instinktiv, dass sein Lebeweg nicht allein mit dem Christentum und den bürgerlichen Werten aus dem 19ten Jahrhundert gepflastert werden kann, und selbst der Katholik bemerkt, dass die katholische Soziallehre nur noch bedingt für dieses Zeitalter taugt – und eine Partei, die dies alles verkörpert und sonst keine Perspektiven bietet, wird immer weniger Wähler anziehen.

Den anderen Parteien geht es freilich nicht besser. Die SPD sonnte sich lange Zeit in dem Glauben, dass sie die Partei der urbanen Menschen wäre, weil sie einst Arbeiter, Bürger und Intellektuelle zu Brandt- und Schmidt-Wählern machen konnte. Links war einst gülden, weil es wahrhaftiger erschien als der verkochte Bürgereintopf von Adenauer und Erhardt. Doch die Ideologie, dass Links edler ist als alles andere, vertreten heute höchstens noch greise Schriftsteller. Von Grün müsste eigentlich kaum noch die Rede sein – diese Partei ist, vor allem, seit sie nicht mehr regierungswillig ist, überflüssig geworden. Lediglich die FDP hat noch wirkliche Überzeugungen, wenngleich ihre Protagonisten dies kaum noch glaubhaft unters Volk bringen.

Nun wäre nichts dringlicher, als die Suche nach Leitbildern zu unterstützen, und in soweit ist die CDU auf dem richtigen Wege, während die SPD sich stets ins Mauseloch zurückzieht, wenn das Thema angestoßen wird. Dabei wäre nichts wichtiger als eine öffentliche Diskussion – schon, um Einseitigkeiten vorzubeugen, wie dem lächerlichen Wort der „Christlichen Leitkultur“, das wie ein Damoklesschwert über der gesamten Diskussion schwebt – und damit dies klar wird: Das Volk will keine christliche Leitkultur, es will weltliche, praktikable, sinnreiche und zukunftsweisende Leitbilder.

In den nächsten Tagen werden wir erleben, wie die Linksmedien, einschließlich der Linksblogger, die Diskussion um die Leitkultur diffamieren werden, egal, wer sie aufnimmt. Die Diskussion wird wieder den üblichen Weg gehen, der schon jetzt absehbar ist: Wir brauchen keine Leitbilder, wir brauchen keine Identität und wir müssen gar nichts für unser Land tun. Das übliche Dummgesülze: Ihr – nicht wir.

Vielleicht sollten die Linken auch einmal versuchen, sich vorzustellen, was aus einer Welt ohne Leitbilder wird – es wird von ihnen ja nicht verlangt, dass sie alle dem gleichen Leitbild folgen. Nur über eines kann man mit mir nicht diskutieren: Der freiheitliche und demokratische Staat ist für sich genommen bereits ein Leitfaden – und gerade er folgt einem Menschenbild, dass ich heute bei den Linksschreibern nicht mehr erkennen kann. Sehen Sie, meine Leserinnen und Leser: „Soziale Marktwirtschaft“ ist ein Leitbild, aber „Soziale Gerechtigkeit“ ist ein Traum. Mag sein, dass in unserer visionsversauten Zeit Träume mit Leitbildern verwechselt werden.

 

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