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Sprechblasen eines Diagonaldenkers – fast immer montags

Heute wollte ich eigentlich nicht meine politische Neutralität unter Beweis stellen, aber die Sprechblase des Diagonaldenkers ist heute auf zwei Damen fokussiert: Beide, weil sie offenbar zuerst reden und dann denken – und dies sogar schon dann, wenn die neue Regierung, der sie angehören, noch nicht einmal vereidigt wurde.

Die Rede ist, wie ich schon sagte, von zwei Damen: Frau von der Leyen (CDU) wusste schon immer, was für Männer in Deutschland gut ist und sagt dies auch überdeutlich – sie hat vermutlich Glück gehabt, dass niemand so genau hingehört hat, als sie Männererziehung in Deutschland wie folgt ankündigte: „In Deutschland ist eine Veränderung in der Väter- und Männerrolle, hin zu einem tatsächlich gleichberechtigten Partner, überfällig. Männer, die dazu nicht bereit sind, werden keine Partnerin mehr finden“.

Nun gut, Frau von der Leyen – wenn sie meinen, dass man mit Überheblichkeit ein Familienministerium führen kann – bitte schön. Der Versuch ist erlaubt.

Auch besser wissen sollte es die alte und neue Bundesgesundheitsministerin, Frau Ulla Schmidt, die es offenbar nicht lassen kann, sich ständig an irgendwelche Rampen zu stellen und etwas angeblich Wichtiges zu verkünden: Diesmal waren es die Arzthonorare.

Wem will sie damit eigentlich imponieren? BILD-Lesern? Oder den leider immer wieder auftauchenden sozialistischen Bevormundern und Gleichmachern in der SPD? Selbst wenn sie ein bisschen Recht hätte: Vielleicht sollten wir sie doch höflich bitten, die Konsequenzen ihrer Verlautbarungen vorher einmal zu überlegen – und das wird in Zukunft noch für viele Schwätzerinnen und Schwätzer gelten.

Nein, nicht mich. Wenn ich mein Französischlexikon richtig gelesen habe, dann heißt „acheve moi“ wohl „mach mich fertig“, und wenn eine junge Dame sich dies auf den Bauch tätowiert hat, was ist dann? (Auf ihrer Rückseite steht „sauve moi“, sie können also wählen).

Was hat nun Fleur Delacour damit zu tun? Oh, vor allem dies: Die Fantasiegestalt wird verkörpert durch die französische Schauspielerin Clémence Poésy – und von ihr haben findige Leute nun zwei Ausschnitte aus „Bienvenue chez les Rozes“ ausgegraben – sehen sie und dort tritt die Dame als Verführerin auf – ziemlich ausgezogen und mit eben jenem „mach mich fertig“ auf dem Bauch.

Was werden nun wohl die Harry-Potter-Fans denken?

Gefunden bei: fleshbot.

Wir und die Welt da draußen – ein kybernetischer Kreis. Wir schreiben, und wir verändern uns dadurch. Jeder Autor weiß es – ist es neu? Nein, natürlich nicht.

Sehen sie, liebe Leserinnen und Leser, ich schrieb es oft: Man kann sein Leben gründlich beobachten und dann darüber schreiben, wodurch sie das Leben ein wenig verändert, und wenn man nun über diese Veränderung wieder schreibt, dann verändert sich das Leben etwas mehr. Macht man die Sache richtig, dann wird es besser und besser, und man wird erstaunt feststellen, dass es sich schneller und schneller verändert. Hat man einen bestimmten Zustand erreicht, so kann diesen Kreis durchaus unterbrechen – und sich ausruhen auf dem schönen Stand, den man nun erreicht hat. Das Schreiben ist nicht mehr nötig. Wer ein Egoblog führt, kann es schließen.

Auf der anderen Seite ist es nun so: Wenn ich über wenig mehr als mein Sexualleben schreibe, dann muss ich zwangsläufig eben dieses Sexualleben sehr gut beobachten – besser, als wenn ich nicht darüber schreiben würde. Indem ich nun aber darüber schreibe, verändere ich mich und der nächste Sex wird anders sein. Er wird aber auch dadurch anders werden, dass ich mehr von seinen beschreibbaren Komponenten aufnehmen muss, denn ich will doch morgen wieder über mein Sexleben schreiben.

Erwartet meine Leserschaft, dass ich den Partner häufiger wechsele, so werde ich den Partner häufiger wechseln müssen, wenn ich weiter gelesen werden will, und ich werde mich umsehen müssen, wie ich mehr und möglicherweise sensationeller Partner gewinnen kann, um jene und auch mich wieder zu beobachten und darüber zu schreiben, und dies gilt natürlich auch, wenn ich besondere Vorlieben habe – ich kann dann meine Leserschaft nicht dauernd mit der kleinen Reitpeitsche beglücken, die ich vielleicht einmal genossen habe, sondern muss mehr Erfahrungen mit anderen Gerätschaften bei Damen suchen, die damit umgehen können.

Sehen Sie - und irgendwann ist das alles wirklich öd – und dann erkenne ich, dass ich größere Abstände halten muss zwischen dem Erleben und dem Schreiben – aber natürlich könnte ich auch einfach mein Blog schließen, wenn ich nicht wirklich Schriftsteller sein will.

Wie ich schon anderwärts sagte: Sexblogs sind endlich. Es sei denn, man wäre Schrifststeller(in) oder Sexarbeiter(in).

Die neue Ausgabe von „Mindestens Haltbar“ ist da und ich kann über sie mindestens dies sagen: sie ist wenigstens optisch ansprechender als ihre Vorgängerin.

Ansprechend, gefällig, geschmäcklerisch ist diese Blogzeitung, ein bisschen verflittert und verglittert, was am Wienerischen Einschlag liegen mag. Alles ein bisschen angewittert, wie weggeworfene Rosensträuße, alles ein bisschen Poesiealbum.

Ja, ich kann den einen oder anderen Artikel mit Vergnügen lesen, ja, ich kann hie und da lächeln – und doch kommt mir am Ende alles so vor, als würde hinter mir Imme Kirmes aufstehen, der Liebling aller Deutschlehrer, und eines ihrer Elaborate zelebrieren und alle würden vor Ehrfurcht ob ihrer Sprachgewalt erstarren.

Die Welt der seichten, schönen, plätschernden Unterhaltung ist offenbar eine Domäne der Damen geblieben, und auch dies hat sich nicht verändert: Man muss viel schreiben, Seiten füllen, Worte hervorzaubern und wieder verschwinden lassen, gluckernd fortfahren wie ein Bächlein, und ab und an behaupten, es gäbe aber tiefe Gründe im Bachbett.

Eine schöne Bettliteratur? Vielleicht. Aber bitte – nehmen Sie ihren Computer mit ins Bett? Ich nicht. Zwei Artikel habe ich dennoch zu Ende gelesen (obgleich auch sie viel zu lang waren): Etwas über die Mythen an sich und etwas Anderes über Frösche und Mythen im Besonderen - immerhin wurde der zuletzt genannte Beitrag tatsächlich von einem Mann verfasst.

So viel kann ich ihnen verraten: Keuschheit ist unheimlich „in“ – als Schlagwort, aber nicht in der Realität. Doch nun will ich etwas weiter ausholen: Drehen wir das Rad der Geschichte mal mindestens 50 Jahre zurück, in die Zeit von Old Conny und Fat Louis - ab da kenne ich mich nämlich etwas genauer aus in der Republik.

Da gab es ihn also, Old Conny, den alten Häuptling der Indianer, der seine vereinigten Trizonesier in eine bessere Zukunft führen sollte: Das hat er auch geschafft. Nur die Sexualmoral, die importierte man aus dem 19. Jahrhundert unter Umgehung der Aufbruchstimmung der Jugend zu Anfang des 20. Jahrhunderts und mit Teils deutlich brauen Rückständen in die Nachkriegszeit. Wer hätte sich nicht noch in den 50ern von einer der weiblichen oder männlichen Geistsnazis sagen lassen müssen, was ein „deutsches Mädel“ oder ein „deutscher Junge“ besser unterlassen sollte?

Am liebsten hätten die Damen und Herren damals gehabt, dass wir uns alle wieder „organisiert“ hätten – nicht in einer Staatsjugend, die gab es im Westen gottlob nicht, aber vielleicht in der Parteijugend? Bei den Pfadfindern? Im der Schreberjugend? Eines war klar. Man wollte die Jugend unter Kontrolle haben.

Man führte die Doppelmoral des Bürgertums fort: Den jungen Mädchen (damals durchaus noch „Backfische“ genannt) und den jungen Männern wurde zwar gleichermaßen auferlegt, keusch in die Ehe zu gehen, doch galt diese Regelung merkwürdigerweise nur für Mädchen. Von Knaben wurde erwartet, „Erfahrungen“ zu haben, wofür neben den üblichen entfernten Tanten und Cousinen auch professionelle Dienstleisterinnen zur Verfügung standen: Immer blieb die nähere Umgebung, die gleiche soziale Umgebung, aber außen vor: Dort taten „es“ die Mädchen nicht.

Die Diskussion „entbrannte“, als die Zeitschriften „BRAVO“ und „TWEN“ die Keuschheit in Frage stellten. Vor allem „TWEN“ war den Moralschützern damals ein Dorn im Auge – mit Schaum vor dem Mund standen die mit Adenauer und der CDU verbündeten Pfaffen und ihre zweite Garnitur in der „Jugendarbeit“ da und versuchten zu retten was zu retten war: Seelen, Moral, Deutschsein, Vaterland und vor allem natürlich die „Reinheit“.

Doch ach – alles Bemühungen waren vergeblich. Die Pille kam und mit ihr brach das Imperium der Keuschheit in wenigen Jahren zusammen, und in den Folgejahrzehnten entwickelten Frauen eigene sexuelle Aktivitäten, die man zuvor nicht einmal Kurtisanen zugetraut hatte – daran änderte im Prinzip auch AIDS nichts – im Gegenteil. Erst durch AIDS kamen viele Leute auf Experimente mit der Haut als dominierende Lustzone, von den vielen Varianten einsamer Vergnügungen gar nicht zu reden – der Markt boomt nach wie vor.

Keusch? Oh, ich will noch einige weitere Artikel darüber schreiben: Über Keuschheitsgeschirre für Männer und Frauen, beispielsweise. Wahrscheinlich werde ich dies ziemlich unkeusch tun.

Da mich neulich ja jemand der Kränkung bezichtigt hat: No comment – außer der Überschrift. Zu den deutschen Blogs habe ich schon alles gesagt, was zu sagen war. Falls sie es in Kurzform wollen: Flaute.

 

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