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Liebe Yester,

ich bin, wie immer beglückt aber auch verwundert, dann angesprochen zu werden, wenn ich gar nicht da bin. Nun, ich schreibe zwar selbst keine Manuskripte für Telefondamen, keine Kontaktanzeigentexte für gut getarnte Huren in Anzeigenforen, und nicht einmal glühende Liebesbriefe an Damen, die sonst niemals solche Briefe bekommen würden. Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich, würde ich dies tun, ein Echtheitszertifikat online bereitstellen könnte. "Gefühle sind immer echt" würde dann kreisförmig um ein Emblem aus fünf verschlungenen Händen stehen, die fünf Sinne repräsentierend. (Ich muss daran denken, schon morgen den Gebrauchsmusterschutz anzumelden).

Die eigenen Emotionen sind immer echt, sagen sie. Dem stimme ich zu, soweit es Rosen betrifft, die lange duften oder Dornen, die sich fühlbar in die Haut bohren – und alles, was Sie jetzt mit Duft, Haut, Lust und Schmerz assoziieren könnten. Von Liebe will ich lieber nicht reden - das ist mir zu privat. Der verbleibende Rest löst schnell einen Anflug von Gefühlen aus, so, als ob einem eben die Straßenbahn davongefahren wäre – aber sonst? Man kann man mich schnell reizen, weil ich schnell eine Erwiderung schreiben kann. Könnte ich es nicht, würde ich also Stunden oder Tage über eine Replik nachdenken, so würde ich es bleiben lassen – und mir denken, was ich hier nicht schreiben sollte: „Das Pack kann mir doch gestohlen bleiben“.

Beim Zweifel muss ich entgegen, dass ich einige Jahre lang Berufszweifler war. Ich musste die Werke anderer so lange traktieren, bis sicher war, dass wenigstens die schlimmsten Wanzen in ihnen den sicheren Tod erlitten – sie können also sicher sein, dass bei mir Zweifel zum Alltag gehört – nicht umsonst recherchiere ich auch hier manches nach – und bei meinen eigenen Artikeln betriebe ich in der Regel eine so gründliche Recherche, dass schon mancher Redakteur blass wurde. Ich muss dennoch hier loswerden, dass ich im realen Leben einen recht netten Überblick habe und nicht sehr zweifele, sondern vertraue – das spart einem manchmal viel Arbeit und bringt allerlei Gewinn gratis ins Haus.

Sie werden verstehen, Frau Yester, dass ich das Thema der Orgasmen, wenngleich es ein sehr Begeisterndes ist, nicht noch breiter trete, als dies ohnehin schon der Fall ist. Die Profis unter den Telefondamen, die nicht billigen Manuskripten für die große Lutsch- oder Dominanummer folgen, haben ja alle ihren eigenen Stil – ich habe die Möglichkeit, dies gelegentlich als Beobachter anzusehen – und sie verstehen es, dabei die richtigen Auslöser zu treffen. Wie verbreitet privater Telefonsex ist, vermag ich nicht zu sagen – immerhin bekam ich aber vor einigen Jahren einen Anruf dieser Art, in dem eine mir zwar bekannte, aber nicht sehr geläufige Dame verkündete, sie habe gerade ihre Hand „da, wo du dir denken kannst“ und um erlösende Worte bat. Ich gestehe, sie nicht gefunden zu haben.

Zum Schluss will ich Ihnen noch sagen, dass ich nicht genau weiß, wie ich zu der Ehre kam, so viele Zeilen in ihrem Magazin zu füllen, vermute aber, dass es nicht dieser kleine Wortsalat allein war, der Sie veranlasste.

In diesem Sinne wünscht Ihnen einen lustvollen Tag

Ihr Sehpferd
yester meinte am 5. Mär, 18:51:
Oh,
das Glück und die Verwunderung sehen Sie nun auf meiner Seite. Welche Ehre, dass mein vor mich hinsinniertes Geplappere Sie dazu veranlasst hat, mir einen solchen interessanten und auch langen Text zu widmen. Nein, diese Aussage ist fern jeder Ironie, sondern tatsächlich ernst gemeint.

Ich versichere Ihnen, dass ich nicht etwa Ihren Wortsalat aufgegriffen habe, um gewerblichen Damen, egal, welcher Art, den Weg zu ebnen. Mir sprang ihr Wortsalat nur ins Auge, bei meinem täglichen Besuch hier bei Ihnen und vermutlich sind es meine persönlichen Umstände, Irrungen, Verwirrungen und Um- und Abwege, die dazu führten, dass ich mich, einem Geier auf das Aas gleich, sofort in Ihren kleinen Text festzubiss.

Das Echtheitszertifikat würde ich nochmals überdenken. Wissen Sie, je mehr man betont und versichert, desto unglaubwürdiger wird man, und ein ungefragt serviertes Echtheitszertifikat könnte zu Fragen führen, die sonst nicht aufgekommen wären. :)

Sie tun es recht, wenn sie "nur" von Rosen und Dornen sprechen, die Liebe, privat oder nicht, ist zu gross und zu komplex, um sie in Texten zu sezieren oder gar erklären zu wollen. Und jemandem, der vor Liebe blind ist, können sie erklären was Sie wollen, der hört und sieht sowieso nichts.

Die Zweifel, ja. Ein elendiges Thema, wie ich finde. Umso schöner, dass Sie im privaten nicht zweifeln, sondern vertrauen. Zweifel, in Maßen sind gesund, im Übermaße wirken sie zerstörerisch. Ich freue mich wirklich und aufrichtig, dass Sie zu vertrauen wissen. Ich selbst tue das im übrigen auch, denn wo kein Vertrauen ist, fehlt einfach der gute Boden um etwas wachsen zu lassen. Und sollte ich auf´s falsche Pferd gesetzt haben, dann lässt sich der Acker immer noch umgraben und neu bepflanzen. Sprießen lassen, denn wo etwas sprießt, ist Leben.

Sie haben Recht, das O-Thema ist nett, netter ist es jedoch, nicht nur drüber zu reden, wenngleich ich gerne drüber rede, wie Ihnen sicher nicht entgangen sein wird. :)
Aber gut, das hier ist Ihr Haus und ich werde es nicht beschmutzen. Eines noch: es ist kein Manko, dem Verkehr am Telefon nichts abgewinnen zu können.

Auch Ihnen einen lustvollen Tag,
besinnlich ist er angesichts des vielen Schnees, man kommt sich vor wie in der Vorweihnachtszeit. :)

Ihre Yester 
 

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