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„Hast du eigentlich einen Liebhaber oder so etwas?“ Die junge Bankmanagerin sah mich ein wenig überrascht an, so, als hätte ich gefragt, ob sie sich Kaninchen hält, doch schließlich gewann sie ihr spitzbübisches Lächeln zurück und sagte: „Nein, wenn ich das Bedürfnis nach einem Mann habe, dann besorge ich mir einen“.

Ich konnte mich nicht erinnern, solche Worte schon einmal aus dem Munde einer Frau gehört zu haben – jedenfalls noch nicht von einer Hetero-Frau. Wahrscheinlich hatte ich die letzten zehn Jahre etwas versäumt – gesellschaftliche Veränderungen gehen an verheirateten Menschen oft ganz und gar vorbei. Doch nun war ich wieder alleine, und neugierig auf die Welt, und so fragte ich nach ihren Bezugsquellen für derartige Personen. Ich hoffte immer noch, mich verhört zu haben.

Sie sah mich deutlich geschäftsmäßig an und sagte zunächst leichthin, dass die Beschaffungsfrage einfach zu lösen sei: Schräg über die Straße befände sich das internationale Hotel, wo all die Herren wohnten, die in ihrer Gegend wichtige Geschäfte tätigten. Da gehe sie hin. Der Rest ergäbe sich von selbst.

Ich muss sie angesehen haben, als käme sie unmittelbar vom Mars, was offenbar ihr Mitteilungsbedürfnis anregte, und so erzählte sie mir dann, wie dieses Spiel abläuft.

„Weißt du, ich ziehe mich an wie ich auch ins Büro gehen würde – in Blazer und halblangem Rock – allerdings mit einer schwarzen, ein wenig transparenten Bluse. Hinzu kommen eigentlich nur noch High Heels – und natürlich ein paar exzellente Dessous – die erweisen sich später als sehr praktisch“. Sie sprach so, als würde sie mir einen Finanzierungsplan erläutern, und lediglich bei dem Wort „später“ huschte eine leichte Rötung über ihr Gesicht. „Dann, so fuhr sie fort, „setze ich mich an die Bar und warte, bis mich ein Herr anspricht, der mir gefällt“.

Ich unterbrach sie. „Als was gibst du dich aus?" Nun grinste sie etwas, als sie antwortete: „Als Hotelgast – verheiratete Bankmanagerin aus München, die wegen eines Finanzierungsplans bei einem hiesigen Kunden ist – du kannst dir vielleicht vorstellen, dass keiner der Herren merkt, dass etwas an der Sache nicht stimmt“, und nach einer Pause: „Weißt du, ich bin nicht die einzige Frau, die hier so etwas macht – es gibt Konkurrentinnen: Hausfrauen, Flittchen ... da muss man schon beweisen, dass man ebenbürtig ist. Nur so glauben die Herren an den Zufall“.

Ich dachte einen Moment nach und wagte dann zu fragen: „Und du bis zufrieden mit dem, was dann passiert?“

Nun dachte sie nach, um schließlich zu sagen: „Zumeist schon ... weißt du, ich sage den Herren, wie ich es gerne habe, und die meisten machen es dann auch so – jedenfalls zu Anfang. Am Ende können sie sich dann ein bisschen auf ihre Art vergnügen - das brauchen Männer wohl“.

Ich sah sie lange an: „Wenn du es schon wildfremden Männern sagst - würdest du mir auch verraten, wie du es gerne hättest?“ Sie zeigte sich wenig überrascht von meiner Frage: „Nein Jojo, ich brauche dich als Freund. Liebhaber gibt es dort drüben, soviel ich haben will“. Ich hatte die Antwort erwartet.

Als ich beim Heimgehen an ihrer Garderobe vorbeikam, sah ich, dass an ihrem Schlüsselbrett ein Hotelschlüssel hing. Sie hatte wirklich an alles gedacht.

In den folgenden Tagen musste ich noch oft an die örtliche ledige Bankmanagerin denken, die nachts lüsternen Herren vorspielte, eine durchreisende, verheiratete Bankmanagerin zu sein.
 

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